05 September 2006

die ersten Tage...

Liebe Freunde des Tartuer Nachrichtenblattes,

wir erholen uns erst mal vom Rausch der Geschwindigkeit in Polen (350 km in 9 Std).

Deutsche Autobahnen sind schon eine schöne Erfindung!
Aber die Straßen in Baltikum sind viel besser als erwartet, mal abgesehen von den groß angekündigten Autobahnen, auf denen man dann wenden durfte, sich Bahnübergänge, Bushaltestellen, Pilzesucher und Spaziergänger tummelten.
Nach dem sich unserer Übernachtungsmöglichkeiten von Nacht zu Nacht vereinfachten (erste Nacht Luxuscampingplatz ganz unter deutschen Rentnerwohnmobilisten – letzte Nacht auf einem Acker in Litauen) sind wir nun nach vier Tagen wohlbehalten (und ungewaschen) in Tartu angekommen.

Wir wohnen augenblicklich noch in einer bed& breakfast- Pension am westlichen Stadtrand (15 min zu Fuß ins Zentrum) in dem sogenannten „Suppenviertel“. Warum heißt das so? Quizfrage! Und schon kommt die Lösung: Unser Holzhaus steht in der ERBSENSTRASSE, welche die BOHNENSTRASSE kreuzt und in unmittelbarer Nachbarschaft zur KARTOFFELSTRASSE liegt. Eine MELONENSTRASSE gibt es auch, aber wir glauben, dass in diesem Fall bei der Namensgebung etwas durcheinander gebracht wurde. Das Suppenviertel ist so etwas wie eine Vorstadt mit bunten mal mehr mal weniger renovierten Holzhäuschen, Gärten mit Obstbäumen und zerbeulten Ladas.
Ja, diese Autos gibt´s es hier noch, genauso wie die sowjetischen, ausgedienten Kolchoselaster. Doch überwiegend fährt man hier dicke BMWs oder auch Volvos. Was sich noch in unserem Viertel auf Rändern bewegt, sind mitunter Männer beim Trockenskifahren. Gleich hinter unserem Haus befindet sich der Parcour, der, wie wir bereits herausgefunden haben, im Winter schneebedeckt ist und von Loipenspuren durchzogen wird. JUHUUUUUU! Ein Glück haben wir unsere Skier noch in den Bus gequetscht!

Tartu ist unglaublich schön! Nachdem es in der Vergangenheit 55 Mal (!) abgebrannt wurde, hatten die Stadtväter (Stadtmütter gab es hier natürlich auch nicht) irgendwann beschlossen nicht mehr mit Holz zu bauen, wie es einst Zar Peter I. verlangt hatte, und statt dessen nur noch Stein zu verwenden. Doch woher die Steine nehmen?! Alle Bauern, die in die Stadt reisten, um etwas zu verkaufen, mussten 16 kg Steine mitbringen. Und so entstand eine überwiegend im klassizistischen und barocken Stil gebaute Stadt. Wahrscheinlich war während der Sowjetzeit alles ziemlich heruntergekommen, aber davon sieht man jetzt kaum noch was. Überall wir gebaut, gemalt und restauriert. Verspricht gute Chancen für Architekten!

Mitten in der Stadt ist ein Raumschiff gelandet: Das Hauptgebäude der Tartu Ülikooli, der Universität. Es sieht aus wie das weiße Haus. Zumindest was Farbe und Imposanz angeht.Gegenüber davon ist Minkas zukünftige Wirkungsstätte, die Germanistikabteilung. Gestern haben wir auch die ersten Kolleginnen kennen gelernt, allesamt sehr freundlich und herzlich. Die DAAD-Lektorin Elke, Minkas „Chefin“ und die Sprachassistentin vom vergangenen Jahr führten uns rum.Künftig werden Südöstlich vom Zentrum wohnen in der Tiigi (was das heißt wissen wir noch nicht). Dort siehts wieder ganz anders aus. Sowjetische vierstöckige Kasernenähnliche graue Backsteinhäuser.Klingt alles viel trister als es ist, denn: die Straße ist grün, Wäsche hängt man im Hof auf und hinter den Häusern ist der Domberg, ein verwunschener Park.

Der Bahnhof, an dem man deutlich erkennt, dass die Esten lieber in ihren dicken BMWs reisen statt mit der Bahn. Die ohne BMW fahren aber auch lieber Bus, so dass wir gestern Mittag die Einzigen auf dem Bahnsteig waren. Abgesehen von einer Puppe interessierte sich auch niemand für das verschrobene Bahnhofsgebäude...

Jetzt gehen wir die Melonensuppe suchen! Tschüß!



(Text vom 30.08.06)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

es macht Freude, von Euren Eindrücken zu lesen und dazu die Bilder mit dem blauen Himmel zu betrachten!!! Wir hätten schon große Lust, Euch zu besuchen!!! Vielleicht im Frühjahr!
Wir freuen uns auf die Fortsetzungen. Brigitte und Klaus in Erbach im Odenwald